Verschärfung des Konflikts: Mangelernährung und Krankheiten bedrohen das Leben von über 1,1 Millionen Kindern im Gazastreifen

New York/Wien - Die Zahl der Durchfallerkrankungen bei Kindern ist in nur einer Woche um 50 Prozent gestiegen, und 90 Prozent der Kinder unter zwei Jahren leiden jetzt unter „schwerer Nahrungsmittelarmut“.

Shaima (8) wartet in der Menge auf eine Mahlzeit in Rafah im südlichen Gazastreifen
Shaima (8) wartet in der Menge auf eine Mahlzeit, die von einem karitativen Hospiz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen verteilt wird. „Ich warte hier schon seit zwei Stunden, aber ich habe noch kein Essen bekommen. Meine Mutter und meine kleine Schwester warten auf mich. Sie haben seit gestern nichts mehr gegessen." Gaza-Streifen, Dezember 2023 © UNICEF

Das Leben der Kinder im Gazastreifen ist dreifach bedroht: Die Zahl der Krankheitsfälle steigt, die Ernährungslage verschlechtert sich und die Eskalation der Gewalt geht in die vierzehnte Woche.

Tausende Kinder sind bereits an den Folgen der Gewalt gestorben, während sich die Lebensbedingungen für Kinder weiter rapide verschlechtern. Die Zahl der Durchfallerkrankungen und der Mangel an Nahrungsmitteln bei Kindern nimmt zu, was das Risiko weiterer Todesfälle bei Kindern erhöht.

„Die Kinder in Gaza sind in einem Alptraum gefangen, der sich mit jedem Tag verschlimmert", sagt Catherine Russell, UNICEF-Exekutivdirektorin. „Kinder und Familien im Gazastreifen werden bei den Kämpfen weiterhin getötet und verletzt, und ihr Leben ist zunehmend durch vermeidbare Krankheiten und den Mangel an Nahrung und Wasser gefährdet. Alle Kinder und die Zivilbevölkerung müssen vor Gewalt geschützt werden und Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und Versorgungsgütern haben."

Die Zahl der Durchfallerkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren stieg in nur einer Woche ab dem 17. Dezember von 48.000 auf 71.000 Fälle, was 3.200 Neuerkrankungen pro Tag entspricht. Der erhebliche Anstieg der Fälle in einem so kurzen Zeitraum ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Gesundheit der Kinder im Gazastreifen rapide verschlechtert. Vor der Eskalation des Konflikts wurden durchschnittlich 2.000 Fälle von Durchfall bei Kindern unter fünf Jahren pro Monat verzeichnet. Dieser jüngste Anstieg bedeutet eine erschreckende Zunahme von etwa 2.000 Prozent.

Seit die „Integrated Food Security Phase Classification“ Ende Dezember vor der Gefahr einer Hungersnot im Gazastreifen gewarnt hat, stellt UNICEF fest, dass immer mehr Kinder ihren grundlegenden Ernährungsbedarf nicht decken können. Laut einer UNICEF-Umfrage vom 26. Dezember nehmen etwa 90 Prozent der Kinder unter zwei Jahren zwei oder weniger Lebensmittelgruppen zu sich. Bei der gleichen Umfrage, die zwei Wochen zuvor durchgeführt wurde, waren es noch 80 Prozent der Kinder. Die meisten Familien gaben an, ihre Kinder bekämen nur Getreide – einschließlich Brot – oder Milch und erfüllten damit die Definition von „schwerer Nahrungsmittelarmut". Auch die Ernährungsvielfalt für schwangere und stillende Frauen ist stark beeinträchtigt: 25 Prozent haben am Vortag nur eine Nahrungsmittelsorte gegessen, fast 65 Prozent sogar nur zwei.

Die sich verschlechternde Situation lässt befürchten, dass die akute Mangelernährung und die Sterblichkeitsrate die Schwelle zur Hungersnot überschreiten. UNICEF ist besonders besorgt über die Ernährung von mehr als 155.000 schwangeren Frauen und stillenden Müttern sowie von mehr als 135.000 Kindern unter zwei Jahren, da diese einen speziellen Ernährungsbedarf haben und besonders anfällig sind.

Wenn Mangelernährung und Krankheiten zusammenkommen und unbehandelt bleiben, entsteht ein tödlicher Kreislauf. Es ist erwiesen, dass Kinder mit schlechtem Gesundheitszustand und schlechter Ernährung anfälliger für schwere Infektionen wie akute Diarrhöe sind. Akuter und langanhaltender Durchfall verschlimmert den schlechten Gesundheitszustand und die Mangelernährung von Kindern erheblich und setzt sie einem hohen Sterberisiko aus.

Der Konflikt hat die wichtigsten Wasser-, Sanitär- und Gesundheitssysteme im Gazastreifen beschädigt oder zerstört und die Möglichkeiten zur Behandlung schwerer Mangelernährung eingeschränkt. Darüber hinaus können vertriebene Kinder und ihre Familien angesichts des alarmierenden Mangels an sicherem Wasser und sanitären Einrichtungen nicht das zur Vorbeugung von Krankheiten erforderliche Hygieneniveau aufrechterhalten, so dass viele von ihnen auf der Straße ihre Notdurft verrichten. In der Zwischenzeit sind die wenigen funktionierenden Krankenhäuser so sehr damit beschäftigt, die hohe Zahl der durch den Konflikt verletzten Patient:innen zu versorgen, dass sie nicht in der Lage sind, Krankheitsausbrüche angemessen zu behandeln.

Seit Beginn des Konflikts hat UNICEF lebenswichtige Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert, darunter Impfstoffe, medizinische Hilfsgüter, Hygienesets, gebrauchsfertige Säuglingsnahrung, spezielle Zusatznahrung, Nährstoffzusätze und gebrauchsfertige therapeutische Nahrung zur frühzeitigen Vorbeugung und Behandlung von akuter Mangelernährung. UNCIEF hat außerdem Treibstoff, Wasser, Wassertanks und Kanister, mobile Toiletten, Planen, Zelte, Winterkleidung und Decken geliefert.  

UNICEF fordert die Wiederaufnahme des Handelsverkehrs, damit die Regale der Geschäfte wieder aufgefüllt werden können, und eine sofortige humanitäre Waffenruhe, um das Leben der Zivilbevölkerung zu retten und das Leid zu lindern.

„UNICEF arbeitet daran, die lebensrettende Hilfe zu leisten, die die Kinder in Gaza so dringend benötigen. Aber wir brauchen dringend einen besseren und sichereren Zugang, um das Leben der Kinder zu retten", sagt Russell. „Die Zukunft Tausender weiterer Kinder in Gaza steht auf dem Spiel. Die Welt kann nicht tatenlos zusehen. Die Gewalt und das Leiden der Kinder müssen aufhören."

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